Abstract: Nutze deine Angst – Wie wir in Gewaltsituationen richtig reagieren
Ralf Bongartz, Trainer für Konfliktmanagement und Körpersprache, beschreibt in seinem Buch „Nutze deine Angst – Wie wir in Gewaltsituationen richtig reagieren.“ die Hintergründe und das empfohlene Verhalten in Gewaltsituationen.
1 Warum wir nichts tun
- Territorium und Stammesbewusstsein: Opfer muss meiner gefühlten Gruppe entspringen, Angriff auf gefühlt meinem Territorium (Wohnung, schwerer bei ungemütlichen, öffentlichen Orten)
- Abgabe von Verantwortung: Schreiten viele nicht ein, so ist dies Beleg, dass es richtig ist nicht zu handeln. (Diffundieren der Verantwortung)
- Die Angst vor Fehlern: Angst zu scheitern bei der Deeskalation
- Die Angst, verletzt zu werden: Angst selbst das Opfer zu werden
2 Erkenne die Situation
Vertraue dem ersten Eindruck: der erste Intuitive Eindruck ist meist der beste, da noch ohne obige mentale Verfremdung
Nimm Platz auf der inneren Tribüne: nüchtern und distanziert die Situation mit äußeren Umständen bewerten
-
Halte inne und atme tief in den Bauch (Tribüne).
-
Beobachten, analysieren und die Lage erkennen.
-
Für Eigensicherung sorgen (Kooperation, Fluchtwege), dann erst kontrolliert eingreifen. Oder: sich entscheiden, nicht selbst einzugreifen, Hilfe holen und die 110 wählen.
Beobachten und analysieren
Worum wird gekämpft?
- Ich will! / Ich will nicht!
- Objekte, Überzeugung, Gehört oder Status (Respekt)
Achte auf den Status
- Hochstatus – Tiefstatus zu erkennen an Signalen (Körperhaltung) und Strategien (Verhalten)
- Täter greifen meist nur Statusschwächere an
- taktisches Verhalten – anderen Status zur Deeskalation einnehmen
- Statuskampf entsteht wenn Hochstatus des jeweils anderen nicht anerkannt wird, dies führt zur Eskalation
- beim Eingreifen passenden Status wählen:
- neutraler Status: Kann ich helfen?
- hoher Status: Stopp! – notwendig in akuter Gewaltsituation
Temperaturmessen(Gefahrenpotential ermitteln)
grüner Bereich (Rechthabe-Phase | Einschreiten gut möglich, meist aber nicht notwendig |
gelber Bereich (emotionale Phase)
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ja, wenn sicher mit emotionalen Situationen, zusammen mit Dritten den Täter unbedingt den Gesichtsverlust ersparen und helfen von seinem aktuellen Handeln abzuweichen. |
roter Bereich ()
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schwierig bis gefährlich. benötigt Übung oder starke Legitimation (z.B. als Türsteher, Busfahrer, Lehrer) oder eine größere Anzahl von Intervenierenden (taktisches Team).Man muss mit Gegenangriffen rechnen. |
schwarzer Bereich ()
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gefährlich, ohne Übung Notruf 110Schocktechniken (lautes Brüllen) oder Ablenkungstechniken (Wegziehen) |
Welche Arten von Gewalt gibt es?
- Inszenierungen: Scheinkampf, i.d.R. ungefährlich
- Affektive Gewalt: Spontan durch Unterforderung und Überforderung; sofort aus Konflikt aussteigen
- Dominanzgewalt: Wunsch nach Kontrolle (männlich, teilweise tödlich) Angreifer sucht Reaktion (positiv oder negativ) und höheren Status
- Strategische Gewalt: Zum ereichen spezieller Ziele. Gefahr der Verdeckungsgewalt, Ausnahme Sexualdelikte diese wird durch Öffentlichkeit beendet.
- Überzeugungsgewalt: Amoklauf, Ehrenmord, Wahnhafte Gewalt
- Anfangsurteil und Legende um selbst zum Opfer zu werden
- Kultur der Gleichgesinnten entsteht.
- Gegenwehr wird innerlich eingeübt
3 Wähle deine Strategie
Was man selbst tun kann: Das Täterskript stören
Opfer
Vorbeugend
- Halte inne, nicht dagegen
- Recht behalten ist ungünstig, da der andere dadurch verliert
- auf erwartetes Skript des Täters nicht eingehen – nicht reagieren, innezuhalten – Klärungsfragen stellen
- Lösche den Angriff
- Fokus auf das Ziel was man eigentlich will legen, nicht was man nicht will. (Störer nicht abhalten, sondern Ursprungsziel wieder aufnehmen
- Konfrontiere wohlwollend
- gewaltfreie Kommunikation – Achtung wirklich nicht bewerten!
- übertriebene Konfrontation
- Anstatt-Strategie „Anstatt zu stören, kannst du mir auch sagen, was dir nicht passt.“
- Stelle eine Beziehung her – Gemeinsamkeiten suchen, Wir Gefühl erzeugen
- Stärke den inneren Krieger – Kindern ihre Meinung lassen, Aufmüpfigkeit zulassen
akute Deeskalation
- Brich aus bei Kidnapper
- Schock (S) – Schreien
- Ausbrechen (A)- Gegenwehr
- Ziel bilden (Z) – Fluchtpunkt
- Passe dich an(besonders bei Stich und Schusswaffen)
- Verhandlungsgeld dabei führen
- aktiv zu keiner Gegenwehr entscheiden
- Die Wand mit der Handtasche
- Meide die Gefahr – körperliche Gefühle wahrnehmen und sofort entfernen
- Ziehe klare Grenzen und verfolge ein Ziel – Agressor nur einbeziehen wenn der Teil deines Ziels ist, sonst Situation verlassen
- Sei nicht feindselig, sondern beharrlich – in neutralem Ton seine Wünsche äußern und unablässig wiederholen
Außenstehender
- Bilde ein taktisches Team
- andere Passanten gezielt ansprechen um gemeinsam zu agieren
- immer für ein Ziel sein, nicht gegen den Aggressor handeln
- Gehe zum Opfer, nicht gegen den Täter
- Opfer direkt ansprechen und aus der Gefahrenzone holen
- Achtung: Hier verliert Aggressor die Kontrolle, daher kann hier die Situation kippen
- Plan B notwendig
- Stelle Öffentlichkeit her und brich das Tabu [Gewalt zu thematisieren]
- Gewaltraum aufbrechen
- leise – beobachten
- laut – aktiv eingreifen
- laute Horde bilden und den Unmut laut kundtun
- in Gewaltsituationen ist Eskalation notwendig: Schlagen Sie auf Sachmittel ein oder zerstören Sie diese
- Gewaltraum aufbrechen
- Gewalt in der Sprache : Gesichtsverlust des Agressors vermeiden und Handlungsänderung ermöglichen, die für ihn positiv aussieht.
- Sei der große Bruder, nicht der Vater: Kommunikation auf einer Ebene, nicht als Autorität
- Beziehung geht vor Ansprache: Zuerst Beziehung aufbauen
- In Schamkulturen geht »Gesicht wahren« vor: Beziehung aufbauen, dass Appell nur noch als Nebensache gesehen wird.
- Ansprechen ist wichtiger, als das Ziel zu erreichen
- Störe, wenn du kannst
- Rausch unterbrechen und Öffentlichkeit herstellen (filmen reicht schon)
- vor der Störung unbedingt Fluchtwege haben (Fahrrad, Abstand, Klingeln an Wohnungen)
- 1. Hinsehen, 2. Rufen & Radau machen, 3. Teams bilden, 4. Hingehen, 5. Ansprechen
- Drohe nicht, handle
- Drohung macht dich zum unmittelbaren Feind.
- Polizei rufen sorgt für Endgültigkeit in Drohung
- Kreative Strategien
- Spiel verrückt
- Übertreibungen und lostexten mit abstrusen Geschichten
- Täusche, wenn du kannst
- Status ändern – hässlich, selbstbewusst
- unbeholfen reagieren und anschließend gezielt zu flüchten
- sofort Verhandlungsgeld anbieten um größeren Schaden abzuwenden.
- Flüchte nicht blind, sondern gezielt
- unkoordinierte Flucht erhöht Jagdreflex
- Flucht zur „Herde“ stoppt Jagdreflex
- Nicht zu Tunnel und dunklen Eingängen – Sackgassengefahr; Schaufensterbereichen – Verletzungsgefahr durch Scheibe
- Meide die Gefahr
- sofort auf eigenes Gefühl hören und koordiniert zurückziehen
- Verblüffe den Täter
- Lage akzeptieren (geht vorbei, Schaden ist hinnehmbar)
- unerwartet reagieren um Aggressor zu irritieren und von seiner Handlung abzuhalten
4 Sexuelle Gewalt
- Stärke das Kind (Prävention) – Information und Training gegen Übergriffe sich zur Wehr zu setzen
- Sag »Stopp!« in voller Lautstärke
- Nachsorge, dem Kind Verarbeitung und Verstehen ermöglichen
- Meide die Gefahr – wie gehabt auf Intuition hören.
- Bleibe bewusst – unbeedingt immer Siezen um Trennung aufzuzeigen
- Gehe in die Offensive – aktiv nachfragen was das soll, reicht nur für schüchterne/verunsicherte potentielle Täter
- Sei »dreckig« – unatraktiv verhalten
- Sei wehrhaft
- unter keinen Umständen den Täterskript entsprechen und nachgeben
- Gegenwehr auch gegen unbeteiligte Gegenstände möglich
- plötzliches „explodieren“ (Statuswechsel)
- anbrüllen, nicht beleidigen
- …und meide die Gefahr
- Setze die Schwelle höher – andere Informieren, sichere Verkehrsmittel nutzen
- Meide die Opferrolle
- Tiefstatus nur im Lücke zu nutzen um zu fliehen, sonst nie!
- Schwachstellen des Täters finden
- Gegenwehr nicht unkontrolliert: Lässt Täter auf der Hut bleiben
- Sprich mit dem Täter
- Tat wird i.d.R nicht während des Gesprächs vollzogen
- Informationen zur späteren Erkennung oder direkten Schwachstelle nutzen
- Sich als Mensch vorstellen und so Objektstatus abstreifen (Ich bin, heiße)
- Keine Warumfragen, eher angenommene Aussagen um zum Nachdenken anzuregen
- Physische Gegenwehr
- Training für gezielte Schläge und Pfefferspray notwendig
- Bisse in Wange und Geschlechtsteil sind nunja intuitiv möglich
- Als allerletztes Mittel: Passe dich an
- Nähe des Täters suchen und anpassen.
- Weiterhin Einflussnahme durch Aufforderungen zur Abkehr, zum Innehalten etc. probieren
- Ziel ist es hier ausschließlich das eigene Überleben zu sichern
Täterprofile Vergewaltigungen
- Typ 1: Machtbestätigungsvergewaltiger:
- Erst freundlich, dann agressiv
- Verhalten adaptieren und nach anfänglichen Verständnis radikal sich zu wehren
- Typ 2: Machtbeanspruchungsvergewaltiger
- Hochstatus, ist sich seiner selbst sicher
- Typ 3: Wut- oder Vergeltungsvergewaltiger
- Emotionale Tat, Opfer steht stellvertretend für innere Verletzungen
- Typ 4: Sadistischer Vergewaltiger
- sehr selten real, meist im Kino. Möchte Opfer leiden lassen
5 Andere extreme Gewalt
- gewalttätige Gruppen
- als Außenstehender wahrgenommen werden um nicht mit erfasst zu werden
- Interveniere indirekt und wähle den Notruf, wenn unauffällig möglich
- Spiel nicht den Helden, sondern konfrontiere kontrolliert
- bei unklarer Situation Öffentlichkeit herstellen
- Warnungen aussprechen um Täter Kosten-Nutzen ermitteln zu lassen
- Bei festhalten von Täter erliegt man der Gefahr selbst als Täter wahrgenommen zu werden, hier aktiv um Polizei bitten und nicht auf Druck reagieren sondern als Schiedsrichter auftreten
- Konflikte nicht vor anderen sondern unter Vier-Augen klären
- Kontrolliere dich selbst und nicht den anderen – zuerst selbst innere Richtung finden, dann handeln
- Achte das Territorium des anderen
- Miss deine eigene Temperatur und steig aus, wenn du festhängst
- Ein Nein in akuter Gefährdung immer begründen und mit Interessen des Aggressors verknüpfen
- Programmiere dich nicht auf Kampf, sondern bleib deinem Ziel treu
- Drohe nicht in Situationen extremer Gewalt
- Interveniere indirekt und bleibe anwesend
- Löse dich vom Problem, anstatt das Problem zu lösen, wenn du nicht weiterkommst
- Kümmere dich in extremen Situationen um den Täter und nicht um das Opfer, um diesen zu stabilisieren.
- Ist Gewaltausübung eingetreten: Gehe nicht zu Boden!
- sofort Hilfe für sich holen
- sofort zu Gruppen hin laufen
- Gegenstände als Barrieren nutzen
weiterführende Ressourcen, unabhängig vom Buch
praktische Selbstverteidungshandlungen /-übungen: Basic Self-Defense Moves Anyone Can Do (and Everyone Should Know)
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